Gebet einer Pilgerin

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Ich hab’ meinen Alltag zu verkaufen
und beschlossen, nach Trier zu laufen.
Ich suche Stille, wo werde ich heute sein?
Wo ist mein Horizont – bin ich allein?
So weit zu laufen – ob sich das lohnt?
Herr, ich bin das nicht gewohnt.


Ich wandere jetzt – und es macht mir auch Spaß,
es regnet jedoch, meine Sachen sind nass.
Ich suche Dich, Herr, hör’ und sehe Dich nicht.
Der Regen fällt schwer und behindert die Sicht.
Meine guten Gedanken gehen gerade zunichte,
auf dem Weg liegt ‚ne umgestürzte Fichte.
Das ist nicht geplant – und ich will jetzt mal fragen:
„Herr, bin ich gekommen DEIN Kreuz zu tragen“?


Ich hab’ meinen Alltag zu verleihen
und will meinen Kopf von Ballast befreien.
Wir versammeln uns am Tagesbeginn.
Nach Rosenkranz steht mir jetzt nicht der Sinn.
Herr, wir loben und preisen Dich laut –
wer hat die Steigung hier eingebaut?
Die Nacht war nicht ruhig und will jetzt mal fragen:
„Herr, bin ich gekommen MEIN Kreuz zu tragen?
Ich brauche Deine stützende Hand
und gebe meinen Alltag als Pfand.


Die Steigung ist mühsam, ich fühle mich klein.
Ein Gespräch lenkt mich ab, die Sonne schaut rein.
Während wir langsam weiter klettern,
glitzern die Tropfen auf den Blättern.
Ein Reh guckt mich unbefangen an.
Die Natur zieht mich völlig in ihren Bann.
Ich bemühe mich gleichmäßig weiterzugehen –
habe noch nie so hohe Fichten gesehen.


Am Wegekreuz beim Kreuzberger Grafen
feiern wir Messe mit 400 Schafen.
Es ist ein Bild, Herr, und niemand vergisst,
dass Du unser guter Hirte bist.


Ich folge Dir, Herr, ich komme schon – nur
mein Fuß steckt in einer Traktorspur.
Der Lehm ist schwer und die Pfützen sind tief.
Ich dachte, dass heute alles locker lief.
Soweit ich sehen kann, nur Morast.
Hat mein Schutzengel mal nicht aufgepasst?
In welchen Gang soll ich jetzt noch schalten,
um meine Socken trocken zu halten?
Bevor wir den Mut ganz sinken lassen,
brauche ich nur etwas aufzupassen.
Ich achte vorsichtig auf meine Schuhe.
Am Ende der Steigung ist erst mal Ruhe.
Laurentia hat die Führung genommen,
klappt doch – ich bin angekommen.
Die Stimmung droht auch niemals zu kippen,
wir ziehen weiter, ein Lied auf den Lippen.
Auch wenn ich abends durch den Speisesaal wanke,
der Tag war gut, Herr, für heute danke.


Bleib bei uns Herr, ich suche den Weg,
manchmal ist’s nur ein schmaler Steg.
Wenn ich stolpere, steht schon jemand daneben.
Die Gruppe ist da, mich aufzuheben.
Die Luft ist so klar – und das Maar ist so tief,
der Rosenkranz rutschte während ich lief.
Wir beten gegen die Flugzeuge an.
Verschwinden die auch mal irgendwann?
Wir gehen und schweigen, schmausen und lachen,
es ist schön, in der Scheune Rast zu machen.


Die Sonne scheint, das gibt uns Mut.
Die Gemeinschaft ist wichtig – es geht mir gut.
Mein Kopf wird frei, die Gedanken fliegen.
Nichts braucht jetzt mehr schwer zu wiegen.
Mein Alltag ist gar nicht mehr wichtig.
Was war richtig? Was ist nichtig?
Wir laufen an einem steilen Hang.
Aus einer Höhle klingt Gesang.
Die Mitpilger kommen in großer Zahl.
Das Lied verklingt hinter uns im Tal.


Ich stehe an der Mosel und muss nichts mehr fragen.
JEDER hat SEIN Kreuz getragen.


Ich habe Dir, Herr, meinen Alltag geschenkt,
meine Schritte nach Trier gelenkt.
Und während wir durch die Eifel wandern,
trage ich heute das Kreuz der Anderen.


© Ineke Werner
St. Matthiasbruderschaft Köln-Bayenthal
ineke.werner@gmx.de


21.05.2009