Die Globalisierung der Kommunikation erfasst jeden und jede, die über ein Handy oder einen Internetanschluss verfügen. Sehen und Hören sind für uns ein Problem geworden, auch wenn wir es noch nicht gemerkt haben. Durch die Vielfalt der Medien, die sozialen Netzwerke und die moderne Kommunikation strömt eine Flut von Bildern und Worten auf mich ein, sodass ein gutes Abwägen von mir gefordert ist.
Das Leitwort für das Pilgerjahr 2023 meint ein ganz bestimmtes Sehen und Hören, das sich aus unserem Glauben ergibt. Es nimmt Worte auf, die Johannes am Anfang des Briefes an seine Gemeinden geschrieben hat:
Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir euch, damit ihr Gemeinschaft mit uns habt. (1Joh 1,3)
Johannes meint damit das, was er im Umgang mit Jesus zusammen mit den anderen Jüngern erfahren hat.
Die Pilgerinnen und Pilger denken hier sicher an die Worte des Petrus vor der Wahl des Matthias. Der Kandidat musste Jesus erlebt haben, auch den Auferstandenen, um von ihm den Menschen erzählen zu können. Seine Erfahrung war für seine Sendung unerlässlich.
- Es war die feste Überzeugung der Evangelisten, dass dieser Zusammenhang von Erfahrung und Sprechen nicht nur für die sogenannten Zeugen der Urkirche gilt. Denn Jesus Christus hat zugesagt, dass er im Leben der Menschen, die an ihn glauben, mitgeht. Gewiss ist das ein Geheimnis, das wir mit unserem Verstand nicht erfassen können, aber wir können die Spuren seines Wirkens erfahren.
Die Erfahrungen der Gläubigen in der Frühzeit der Kirche kennen wir aus der Heiligen Schrift. Was sind jedoch unsere Erfahrungen, die wir jetzt leben? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil unser Herr auf die Eigenart der einzelnen Person eingeht, in ihre Erlebniswelt eintritt und seine Gegenwart im Herzen des Menschen spüren lässt. Es gibt also eine unvorstellbar reiche Vielfalt von Erfahrungen mit dem Messias Jesus Christus, der lebt und wirkt. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten, so dass wir das zum Thema gemeinsamer Besinnung machen können.
Sehen
Ein Ereignis im Verlauf des Alltags kann unerwartet eine große Bedeutung für mich gewinnen. Üblicherweise spricht man dann von einem glücklichen Zufall. Es kann aber auch sein, dass ich intuitiv wahrnehme: „Das war mehr als ein Zufall. Das meint mich. Das geht mich an. Das hat irgendwie damit zu tun, dass Jesus wirklich mitgeht.“ In christlicher Sprache ausgedrückt: „Ich glaube, das war eine Fügung.“
Es muss nicht immer ein Ereignis sein. Menschen berichten z. B. davon, dass sie in der Natur etwas
Wunderbares geschaut haben, das sie außerordentlich tief beeindruckt und in ihrer Seele Spuren hinterlassen hat.
Hören
Etwas Ähnliches gibt es auch beim Hören. Jemand hat zu mir etwas gesagt, das mich getroffen hat. Ohne dass der Betreffende das gemerkt hat, war es außerordentlich wichtig für mich.
Der Mensch hat die geistige Fähigkeit, solche Erfahrungen zu deuten und mit dem Sinn seines Lebens in Zusammenhang zu bringen. Zum Sinn des Lebens gehört für die Getauften die Beziehung zu Jesus Christus. Es ist ratsam, mit vertrauten Menschen sich darüber auszutauschen; denn wir neigen dazu, solche Erfahrungen zu bagatellisieren, weil sie unter Umständen Konsequenzen für unser Tun haben.
- Das Leitwort ist ein unvollständiger Satz. Er fordert dazu heraus, ergänzt zu werden. Johannes tat das in seinem Brief: „… das verkündigen wir.“ Das Wort verkündigen hat für uns einen anspruchsvollen Ton. Sagen wir deshalb einfach: „ … davon sprechen wir.“ Wir wissen, dass es ein Anliegen unseres Herrn ist, dass von ihm gesprochen wird. Das mit den richtigen Worten zu tun ist überhaupt nicht einfach. Darum sind wir normalerweise dabei sehr zurückhaltend. Es gibt ein tragendes Motiv, die Dankbarkeit gegenüber Jesus, der tatsächlich uns niemals verlässt und uns Zeichen dafür gibt. Dankbar zu sein bringt Freude ins Leben.
- Das Leitwort führt uns also dazu, uns über dieses Sprechen gegenseitig Anregungen zu geben. Es sollte ja nicht belehrend oder gar anmaßend sein, aber auch nicht peinlich. Es kann durchaus vermieden werden, zu viel Persönliches preiszugeben, sodass man verletzlich wird. Es lohnt sich, über Einzelheiten nachzudenken. Hier zwei Beispiele.
Die richtige Gelegenheit
Die Kernvoraussetzung für dieses Sprechen über die eigene Glaubenserfahrung ist das Empfinden für die passende Gelegenheit zu einem Gespräch. Im Allgemeinen wird es sich darum handeln, dass man gefragt wird. Entscheidend ist, ob ich die Person ernstnehmen kann. Denn bei meinem Sprechen muss es mir um mein Gegenüber gehen, nicht darum, dass ich mich mal aussprechen kann. Das wäre eine andere Art von Gespräch, die auch mal sein kann.
Der Weg zum eigenen Wort
Für das Sprechen über Religion im Allgemeinen stehen uns keine besonderen Worte zur Verfügung, auch wenn es theologische Fachsprachen gibt. Die Menschen haben über ihr Verhältnis zu Gott durchweg mit
den Worten gesprochen, mit denen sie ihre Beziehung zu geachteten oder geliebten Personen zum Ausdruck brachten. Daher braucht es etwas Mut, die gebräuchlichen Worte wie Liebe, Geborgenheit, Licht, Treue u. ä. in den Mund zu nehmen.
Es bedarf ganz einfacher Worte. Je einfacher die Sprache, desto geringer ist die Gefahr von Missverständnissen.
Es gilt, Fallen zu vermeiden. Man kann zum Beispiel die Intensität von Gefühlen nicht vermitteln, aber man kann Vorgänge und deren Folgen beschreiben, so dass der Gesprächspartner mit seinen Gedanken über die Brücke ins eigene Leben gehen kann.
Das soll hier als Andeutung genügen. Der Weg zum eigenen religiösen Wort entspricht dem Erlernen einer Kunst. Sich darauf einzulassen lohnt sich; man lernt auch über sich selbst, - und unser Meister und
Freund hat gesagt, dass er hilft.